Auch menschliche Beziehungen haben nachhaltigen Einfluss auf das Epigenom und somit auf das Leben und die Gesundheit: Ein Säugling zum Beispiel, der zu wenig Liebe und Geborgenheit erhält, bekommt offenbar nicht nur Bindungsprobleme, sondern hat auch biologisch nachweisbar Störungen im Stresshormon-System.
„Traumata sorgen nicht nur für Narben in der Seele, sondern auch für Narben im Erbgut“, veranschaulicht der Depressionsforscher Florian Holsboer die epigenetischen Markierungen. Wenn diese Narben auch im Erbgut der Keimzellen sind, dann werden sie sogar weitervererbt, wie Epigenetiker herausgefunden haben.
Epigenetische Markierungen können vererbt werden
Ein Beispiel für das epigenetische Gedächtnis ist jenes der schwangeren Holländerinnen aus dem Hungerwinter 1944/45. Dass die Frauen untergewichtige Babys zur Welt brachten, erscheint plausibel.
Doch dann zeigte sich: Der Nachwuchs hatte überdurchschnittlich oft Depressionen, Übergewicht oder Schizophrenie. Erstaunlich früh bekamen die Kinder Alterskrankheiten wie Herzprobleme oder Diabetes.
Eine weitere Untersuchung belegte, dass die Söhne der „Hungerwinter-Mütter“ vorwiegend übergewichtigen Nachwuchs hatten. Die Erfahrung dieser Mütter und dem daraus resultierenden Bestreben, einer Hungersnot mit dem Anlegen von Fett-Reserven vorzubeugen, wirkte sich also augenscheinlich bis in die übernächste Generation aus – und das, obwohl die Enkel doch in einer Zeit mit Nahrung im Überfluss und mit weniger Nöten gezeugt worden waren.
Die Erbsubstanz der Enkel enthielt also offenbar auch Informationen über die Lebensbedingungen der Großeltern.
Gegen diese These spricht jedoch, dass der Nachwuchs der Töchter der „Hungerwinter-Mütter“ kaum überwichtig war. Wissenschaftler wie etwa Steven Henikoff, der am Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle Genregulation erforscht, gehen davon aus, dass der übergewichtige Nachwuchs der Söhne dieser Mütter zum Beispiel auf schlechte Essgewohnheiten der Eltern zurückzuführen ist, die sich auch auf die Kinder ausgewirkt haben.